220 km mit 1 PS von Norden nach Süden
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Kjölur - der Film
Der diesjährige
Pre-Ferien-Diät-Crash-Kurs hatte nichts mit dem Badeanzug oder einer
zwickenden Hose zu tun, sondern entsprang der Vorstellung in
tiefbraune, traurige aber auch vorwurfsvolle Augen eines Ponys
blicken zu müssen, das mich 220 km durch Island tragen sollte. Eine
Herausforderung für den Rücken des Tieres und meine direkte
Verlängerung davon.
Die Zuteilung vor Ort
brachte mehr Klarheit, max. Zulassung pro Tier liegt bei ca. 100 kg,
wovon ich glücklicherweise noch einiges entfernt bin. Ausserdem
heisst das Tier nicht Pony sondern ist ein Pferdezwerg, denn
schlussendlich handelt es sich dabei um wahrscheinlich eine der
härtesten und artenreinsten Rassen der Welt (sorry Araber). Keine
Satteldecke, kein leckerer Hafer, keine Ställe – gelobt ist was hart macht(e). Die Einfuhr von anderen Pferderassen ist strikt verboten
und so kann auch keines, das einmal seinen Huf in ein fremdes Land
gesetzt hat wieder zurückkehren. Die Angst vor Verweichlichung und
Krankheit ist zu gross und dementsprechend sind wir instruiert nur
neue/gewaschene Kleidung mitzubringen. So stehen wir, eine 13köpfige
gut desinfizierte, international zusammengewürfelte Gruppe von
Pferdeflüsterern jeden Alters mit unterschiedlichem Meilenstand unter
dem Sattel, am ersten Tag mehr oder weniger zuversichtlich vor dem Corral.
Uns verbindet der Wunsch Island in sechs Tagen von Nord nach Süd auf
sechs
Beinen zu durchqueren, (wobei die eigenen möglichst wenig benutzt
werden sollten) und einer recht früh entdeckten gemeinsamen
Abneigung gegen das Schafsaroma, des als erstes serviertem Iceland
Stew.
Insgesamt gehen ca. 90
Pferde auf Tour, nur einige davon werden für Tragearbeit
herangezogen, für den Rest geht es einfach nur nach Hause, diese
Tour ist die letzte der Saison. Auf Kurs gehalten werden wir und die
Herde von insgesamt ca. 8 Guides, die dafür sorgen sollen dass wir
alle heil über die Hochebene des Kjölur kommen.
Jeweils mittags werden die
Pferde ausgetauscht, Ersatzreiter gibt es aber keine, was mir im
Verlauf der Woche dann mein Allerwertester (und damit meine ich
nicht meinen Mann) doch ziemlich übel nimmt.
Die Landschaft ist schlicht
atemberaubend schön und fremdartig, Steinwüste auf der Hochebene
soweit das Auge reicht, für Tage keine Strasse, kein Auto, kein
Haus, nur Berge die sich gletscherbedeckt links und rechts erheben,
irgendwie erinnert mich das Ganze an eine Hochebene in Nepal, - eine
gute Alternative für Höhenkranke. Geschlafen wird mehrheitlich in
Mehrbettzimmern, bzw. Schlafsälen in Berghütten, was die Pflege der
besonders strapazierten Körperteile manchmal etwas erschwert, sonst
aber viel Spass bringt.
Das Wetter ist mehrheitlich
freundlich und schön, doch etwas Regen gehört dazu und wir können
uns bei unseren sechs bis siebenstündigen Ritten gut vorstellen wie hart das
Leben der Menschen war, die diese Hochebene durchquerten, bevor es
Jeeps mit Sitzheizung gab. Legenden über erfrorene Brüder, Hirten
und Schafe machen die Runde und die Sagen über Guides die ihre
erschöpften Mitreisenden mit einem Messer und der Drohung „ich lasse
in dieser Wüste nichts Lebendiges zurück“ zum Weitergehen motivierten. Eine Liebesgeschichte
über einen der vielen Gesetzesbrecher, der
hier in der Hochebene Zuflucht suchte und dessen Geliebte ihm in
eine Höhle folgte ist nur solange romantisch, bis das Wiegelied
angestimmt wird, mit dem sich die beiden von ihren Nachwuchs durch
Aussetzen in Gletscherspalten trennten, um wenigstens das eigene
Überleben zu sichern. Gelobt sei, - was hart macht(e).
Es geht flott voran, dank
fünf
Gangarten die wir unterschiedlich gut beherrschen bewältigen wir die
40 km meist in ca. sechs Reitstunden. Ausfälle sind Gott sei Dank keine
zu verzeichnen, nur Bill, unser sanfter Brite mit dem rabenschwarzen
Humor unterhält uns mit vier „unconventional dismounts“.
Lavafelder, Geröllhalden
aber auch fruchtbare Täler, die sechs Tage gehen erschreckend schnell
vorbei, kurz nachdem der Tölt einigermassen klappt und the „Backside“
nur noch dumpf schmerzt, heisst es Abschied nehmen von Ross, Guide und
einer tollen Truppe, der dann entsprechend emotional ausfällt. Über
unsere Mitreiter, die liebenswürdigen Gastgeber, unser süsse,
kompetente Guide Austa, das tolle Farewell Dinner können wir nur
schwärmen.
2500 km mit 320 PS rund um die Insel
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Offroad Tour
Offorad - the movie
Für die zweite Woche wird die
Gesamtanzahl Pferdestärken nochmals erheblich gesteigert, von 90 auf
ca. 320. Der Hummer H2, den sich Peter für die Woche als
Transportmittel ausgesucht hat steht in jeder Beziehung für ein
absolutes Gegenwicht zur ersten Woche. Riesig, protzig, wuchtig, - es
ist mir ja schon fast etwas peinlich. Bei einem Benzinpreis von 2.50
Fr./Liter wird schnell klar warum sich das Modell nicht flächendeckend
durchgesetzt hat. Im Hochland kommt dann allerdings doch noch
Fahrspass auf, wir fahren hunderte von Kilometern über
Wellblechpisten, Schotterstrassen, Schlagloch- bzw. Pfützenwege,
durch Wind- und Sandstürme, die bei uns wohl genug Stärke hätten um
Wälder wegzufegen, doch diese gibt es hier ja seit den Wikingern nicht mehr. Grundsätzlich sind weite Landstriche geprägt
von Oekokatastrophen vergangener Jahrhunderte, nahezu kompletter
Abholzung, totaler Bodenerosion, Lavaströmen und Geröllhalden die von
Gletscherflüssen ins Tal getragen wurden; Das wunderschön zu finden
klingt auf den ersten Blick fast wie beim Wort „Klimaerwärmung“ den
Liegestuhl hervorzukramen. Aber genau diese „Verwüstungen“ machten
das Land so spannend, rau, stark, vielseitig, fremdartig,
abenteuerlich, herausfordernd, einfach unvergleichbar. In einer der
Hochebenen bei Askja wurden die Mondfahrzeuge von Neil Armstrong und
Buzz Aldrin getestet, die Verhältnisse hier müssen wohl denjenigen
auf unserem Trabanten am meisten ähneln.
Peter gleicht einem Kind,
das bei Regenwetter in den Gummistiefeln raus darf, wenn er durch
die Pfützen und Flüsse brettert. Unser Fahrzeug nimmt schnell
Tarnfarbe an und der Lichteinfall durch die Fenster wird immer
weniger. Apropos Dreckspatzen, - einer Sage nach wollte Gott Eva’s
Kinder besuchen, Eva zeigte ihm jedoch nur die sauberen, die
ungewaschenenen versteckte sie. Gott zeigte sich darüber so erzürnt
dass er/sie beschloss dass von nun an diese Kinder niemand mehr
sehen sollte, - sie wurden zu den Elfen, die im Land allgegenwärtig
sind, in Felsen leben, sich aber nur zeigen wenn sie es selbst
wollen. Persönlich hatte ich sie mir ja eher als schwirrende kleine
Glitzerwesen vorgestellt, aber anscheinend handelt es sich dabei um
kleine Glitzerwesen mit Gummistiefeln. Gezeigt hat sich uns leider
aber keine einzige. Eine andere hübsche Geschichte finde ich
diejenige, in der ein Farmer, dessen Bauernhof „England“ heisst auf
die Frage nach der Herkunft des Namen antworte: „England liegt nicht
nur in Kopenhagen“. Noch Fragen?
Was lernt man auf so einer
Reise noch alles: Eine topfebene Hochebene birgt gewisse Probleme,
wenn man pinkeln gehen möchte, was dann die Jungs bei starken Wind
mit, Mädels hingegen gegen Windrichtung tun sollten. Die hohen
Preise machen die Übernachtung in Jugendherbergen und einfachen
Guesthouses empfehlenswert und dass ein Glas Wein (187 cl für
15.—Fr.) ganz besonders schmeckt, selbst wenn es aus dem Tetrapack
kommt. (Generelle Faustregel, Essen, Trinken und Schlafen ist hier
ca. doppelt so teuer wie in der eben auch nicht günstigen Schweiz)
Wir lernen unzählige Sagen und Geschichten, die Abstammung jedes
einzelnen Isländers ist bis zurück in die Wikingerzeit dokumentiert.
Stolz ist man auf seine Abstammung und sein Land, schlussendlich hat
man sogar Amerika entdeckt (Leifr Eiricsson war schon vor Kolumbus dort, hat
aber nach kurzem Aufenthalt die eigene Insel wieder vorgezogen). Die
Insel liegt ja eben auch auf den beiden Kontinentalplatten und
bildet so eine Brücke zwischen den Kontinenten.
Reykjavik zeigt uns dann
noch eine ganz andere Seite des Landes, ziemlich trendy und hip, wir sind platt, mit
welcher Gleichgültigkeit gegenüber Preisniveau, Kälte, Regen oder
Wind hier ein Designerkleid nach dem anderen durch die Strasse wandelt.
Nicht immer sollen sich
Träume erfüllen, da die Realität selten an die Erwartungen
herangelangt. Für den langgehegten Wunsch nach Island zu gehen, gilt
dies aber sicher nicht, unsere Erwartungen wurden in jeder Hinsicht
übertroffen.
Ach und da war da noch: Der
kleine Sieg der amerikanischen Autoindustrie, als Peter bei der
Abgabe unseres Mega-Amis noch kurz einem kleinen Toyota den
Kühlergrill eindrückt und damit unserem westlichen Kollegen
zumindest für einmal zu einer kleinen Rache an den fahrenden
Reisschlüsseln verhilft.
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